lexer&boulanger bücher, texte, unfug

Nein danke!

Ich habe mich ja in letzter Zeit aus zeitlichen Gründen kaum zu Wort gemeldet, führte neulich Abend aber eine Online-Diskussion, die mich dazu bewogen hat, Zeit hin oder her, wieder einmal einige wachrüttelnde Worte zu äußern. In ebendieser Diskussion ging es wieder einmal um das leidige Thema “Mantrailer sind in der Lage alte Spuren zu verfolgen“. Unsere Meinung dazu ist ja hinlänglich bekannt – wir gehen davon aus, dass alles, was über 6 Stunden hinausgeht, nicht wirklich verlässlich reproduzierbar sei – ebenso ist bekannt, dass wir mit dieser Meinung nicht alleine da stehen. Einige Prominente der Szene, u. a. Jeff Schettler, sehen die Sache genauso wie wir, evt. variieren die Aussagen um ein paar Stunden auf und ab, doch der Grundtenor bleibt derselbe. Mein Diskussionspartner versuchte mich vehement, wie in Trailerkreisen eben üblich, davon zu überzeugen, dass ich im Unrecht sei, immerhin habe nun auch der Bundesgerichtshof dementsprechend entschieden, und die Revision eines verurteilten Brandstifters abgelehnt, der durch den Einsatz von Mantrailern überführt werden konnte. (Quelle www.freiepresse.de/). Mein Standpunkt zu dieser Sache war folgender: Selbst wenn wissenschaftlich zu 100% bewiesen werden könnte, dass Hunde in der Lage seien, nach so langen Zeiträumen (im konkreten Fall bis zu knapp vier Monaten) noch verlässlich von Menschen in Bewegung hinterlassene Spuren, gemeint sind hier Trails, zu verfolgen, wäre dies zwar absolut fein für die Rettungsdienste, meiner Meinung nach aber kein profanes Rechtsmittel in einem Rechtsstaat. Zunächst Näheres zum zitierten Fall: Dem Verurteilten wurde vorgeworfen, er habe immer wieder Autos in Chemnitz und in Neukirchen bei Stollberg angezündet. Gefasst werden konnte er lange Zeit nicht, doch nach seinem letzten mutmaßlichen Anschlag auf Fahrzeuge in der Tiefgarage eines Arbeitsamtes konnten Mantrailer eine Spur vom Tatort zu seinem Auto nachweisen. Der Artikel der sächsischen Zeitung spricht von Monate alten Spuren. (Quelle http://www.sz-online.de) Aus dem Artikel geht jedoch nicht hervor, wie lange nach dem Tatzeitpunkt die Trailer angesetzt wurden, aber dort ist auch zu lesen, ich zitiere: “''In sieben Fällen bis Anfang September 2013 konnte so nach Auffassung des Gerichts nachgewiesen werden, dass sich der Mann dort aufgehalten habe.''“ Nachdem der letzte Anschlag Weihnachten 2013 begangen wurde, der Trailereinsatz also auf alle Fälle nachher stattfand, wurden die Anwesenheit des Verdächtigen am Tatort im Falle der Tat von Anfang September 2013 also nach frühestens 4 Monaten nachgewiesen. Die Trailer konnten also tatsächlich “nachweisen“, dass ein Chemnitzer Bürger irgendwann mal vor dem Chemnitzer Arbeitsamt oder an allen möglichen anderen öffentlich zugänglichen Orten in Chemnitz gewesen war. Gratulation. Der mutmaßliche Täter wurde weiters in einem reinen Indizienprozess verurteilt, er war bereits von 2004 bis 2007 inhaftiert gewesen, weil er die Reifen von 699 Autos zerstochen hatte, somit passte er natürlich perfekt ins Täterprofil, auch wenn es keine schlüssigen Beweise für die Brandstiftung gab. (Quelle http://www.persidium.org) Von einem inzwischen pensionierten führenden Ermittler in Großbritannien weiß ich aus erster Hand, dass dort Trailer auf eben dieselbe Weise verwendet werden / wurden, obgleich die Ermittlungsergebnisse, die durch die Hunde erzielt werden, vor Gericht nicht als Beweise zulässig sind bzw. zumindest zu seiner Dienstzeit nicht zulässig waren. Der Gag bestand in erster Linie darin, die Hunde einzusetzen und körpersprachlich bewusst dorthin zu lenken, wo der Staatsanwalt sie gerne gesehen hätte. Der mutmaßliche Täter wurde mit diesem Ergebnis konfrontiert, worauf er meistens gestand. Und damit hatte die Staatanwaltschaft das Geständnis, das sie brauchte, wenn andere Beweise fehlten. Der Chemnitzer Verdächtige hat nun aber nicht gestanden, sondern hat die Tat bis zuletzt bestritten. Im Gegenteil, er ging in Revision, weil auch von seinem Anwalt die Zuverlässigkeit der Aussagen der Trailer angezweifelt wurde. ''Spuren hätten keinen Zeitstempel'', soll er richtig bemerkt haben. Gerade in den östlichen Bundesländern scheinen manche altgediente Mitglieder der Exekutive darunter zu leiden, dass seit dem Fall der Mauer an Tatorten jeglicher Art keine “Geruchsproben“ für die spätere Beweisführung via Hunden mehr abgenommen werden dürfen (in Erfahrung gebracht von einem solchen “altgedienten“ Beamten beim odorologischen Symposium des BDK in Berlin am 18.10.2012, (Quelle https://www.bdk.de), da dieses Rechtsmittel im Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zur ehemaligen DDR nicht zulässig ist. Und das ist auch gut so. Ich enthalte mich der Meinung darüber, ob der mutmaßliche Täter nun der Täter war oder nicht. Ich möchte auch keinem der Hunde mangelndes Demokratiebewusstsein vorwerfen. Ich will aber sehr wohl darauf hinweisen, dass es Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen, sonst sind wir wieder sehr schnell dort, wo Chemnitz noch vor dreißig und Berlin vor siebzig Jahren war, oder dort, wo die deutsche Mantrailerei ihre erste unrühmliche Hochblüte erlebte: im Niedergang von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Lassen wir die Trailer also dort, wo sie hingehören, nämlich in die Freizeit. Für Menschen, die daran glauben, auch noch zu Rettungseinsätzen – hier mag der Zweck die Mittel heiligen. Aber wo sie sicher nicht hingehören: in die Beweisführung der Strafverfolgung. Selbst wenn, wie oben angemerkt, zu einhundert Prozent erwiesen sein sollte, dass die Hunde in der Lage wären, Trails nach mehreren Tagen noch zuverlässig auszuarbeiten, was aber nicht der Fall ist. Die menschliche Beeinflussung, bewusst oder unbewusst, ist nach wie vor viel zu groß, um Hunde als Werkzeug, dessen Einsatz zu derartigen Konsequenzen führen kann, zu missbrauchen. Zu dem BGH-Urteil, um das es geht, nämlich zu jenes, das die Revision des Chemnitzers abgewiesen haben soll, kann ich zumindest bis zum heutigen Tage keinen Eintrag in der Prozessdatenbank des Bundesgerichtshofes finden. Somit bleibt der Grund der Ablehnung der Revision der Öffentlichkeit vorerst einmal verborgen.

R.B. März 2015